Montag, 22. April 2013

Meine Hütte, mein Badezimmer, und zwei lehrreiche Tage im Klärschlamm (Wasser-Management für Anfänger)


Jede Medaille hat zwei Seiten. So auch mein gemauertes Häuschen mit eigenem Badezimmer, das ich an meinem ersten Tag auf Sapney Farm beziehe. In diesem Fall steht dem Komfort einer privaten Dusche die Tatsache entgegen, dass das Wasser, das ich dabei nutze, auch wieder irgendwo hin abfließen muss. 

Und da gibt es so ein Problem...

Nachdem ich mich in meine neuen „Zuhause“ eingerichtet habe dauert es nicht lange, bis ich auf das feuchte Areal neben dem Haus aufmerksam gemacht werde. Da hin fließt es nämlich, das Duschwasser, durch ein liebevoll gestemmtes Loch in der Außenmauer, gleich auf die Erde nebenan. Ein Loch hat diese Mauer für meine Dusche, und ein Loch für die Dusche der zweiten Wohneinheit. Die Moskitos lieben es...



Nicht schlecht, denke ich mir, denn wer sich mehr Erfahrung mit Permakultur aneignen will, der/*/die freut sich über offene Kreisläufe, die es zu schließen gilt. Und wenn es sich noch dazu um Wasser handelt, dass hier einfach so im Boden versickert, dann gibt’s doch endlos viele Möglichkeiten, dem einen Nutzen zu geben. Ich schnappe mir also ein Mamti (das lokale Werkzeug für einfach alles) und beginne, meinem Moskitotümpel buchstäblich „auf den Grund zu gehen“.
Ich lege den Bereich neben dem Haus trocken, indem ich einen Graben aushebe um das Wasser abzuleiten. Nun fließt es in ein Loch etwas weiter vor dem Haus, aus dem ich beginne, es abzuschöpfen. Währenddessen wundere ich mich schon ein wenig, dass das Wasser in schier unendlichen Mengen nachzukommen scheint. Dass ein Boden so viel Wasser speichern kann, wäre mir neu.

Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, worin ich da gerade wirklich stehe. Rückblickend kann ich sagen: Ein Bad im Ganges hat nach diesem Erlebnis vollends seinen Schrecken verloren...

Skeptisch geworden, arbeite ich mich nochmals zur „Quelle“ vor. Und während ich zwischen den beiden Löchern in der Wand immer tiefer grabe, wird mir klar: Das Wasser fließt von unterhalb des Hauses nach. Weiter und immer weiter... Wenig später erfahre ich von dem „Septic Tank“ unter dem Haus, in dem sich das Material aus der indischen Hocktoilette ansammelt, die sich ebenfalls in meinem Badezimmer befindet. Er musste kürzlich zum Abpumpen aufgestemmt werden, und im Eifer des Gefechts wurde eine Stelle zwischen den Ausgängen der Dusche geöffnet, mittig gelegen, und doch etwas unterhalb der Löcher. Mit dem Ergebnis, dass das Wasser aus der Dusche fortan in den Septic Tank floss, und ihn rasch wieder füllte.
Aus dieser Mischung besteht es also, das feuchte Areal neben dem Haus, in das ich mich mit voller Motivation stürze. So viel zur Ausgangslage.

Die Permakultur-Design-Herausforderung:

Eine schnelle Lösung will gefunden werden, das Wasser aus der Dusche an einen anderen Ort zu leiten, es zu reinigen und es im Idealfall auch noch für den Garten weiter zu nutzen. Auf jeden Fall soll es nicht weiter in den Septic Tank fließen, damit sich das Material darin wieder setzen kann. (Später wird der Tank abgepumpt, versiegelt, und das WC im Bad durch ein Kompost-Klo im Garten ersetzt.)

Ich stelle mir zuerst die Frage: Welche Bedürfnisse habe ich sonst noch in meinem System?
In meinem Fall fehlt mir das Mulchmaterial für den Gemüsegarten, der vor dem Haus angelegt werden soll. Ich brauche also einen Platz, an dem viel Pflanzenmasse in kurzer Zeit wachsen kann, die ich schneiden und als Bodenbedeckung auf die Beete legen kann. Außerdem soll der Bereich vor der Hütte auch etwas „für's Auge“ sein.
Generell fehlt es dem Garten in dieser Jahreszeit (in Tamil Nadu beginnt gerade der Sommer) an ausreichend Wasser. Zu Monsoon-Zeiten allerdings wird das Wasser zur alles mitreißenden Kraft. Mit beiden Extremen muss das Design des Geländes fertig werden.

Ein weiterer wertvoller Gedanke für das Design: Was begrenzt mich in meinen Möglichkeiten bzw. was erweitert sie? Auf jeden Fall möchte ich so weit es geht auf Plastik und Zement verzichten, und diese Materialien nur da einsetzen, wo es wirklich nötig ist. Die finanziellen Mittel sind begrenzt, und die Arbeit muss mit der Hand schaffbar sein. Was hingegen meine Möglichkeiten erweitert, sind die vielen anderen Voluntär*innen auf Sapney Farm, ihr Wissen und ihre Erfahrung. Ich mache mich also nicht alleine an die Planung, sondern belästige zusätzlöich Itai, unseren Wasser-Aufbereitungs-Spezialisten, und Martin, den praxiserprobten Permakulturisten, der schon viel Erfahrung in den Tropen gesammelt hat. Gemeinsam nehmen wir uns einige Tage Zeit, sammeln Pläne und beschreiben einander Ideen, holen Infos ein, vermessen das Gelände und versuchen, die Wassermenge einzuschätzen, mit der wir es zu unterschiedlichen Zeiten zu tun haben werden. Der Grundsatz hierbei: Plane für Extremsituationen. Davon ausgehend zeichnen wir unterschiedliche Skizzen und denken verschiedene Möglichkeiten durch, wie wir das Wasser sammeln, reinigen und nutzen können – und das auf eine ästhetisch ansprechende Art und Weise.

Das Ergebnis: Ein geschwungenes Becken von etwas mehr als einem halben Meter Tiefe, gefüllt mit einer Schicht Sand, einer Schicht Kohle und einer Schicht Kiesel. Die Kombination aus diesen Materialien wirkt wie ein Filter. Zusätzlich ist das Becken mit Canna bepflanzt, einer schnell wachsenden Pflanze mit leuchtend orange-gelben Blüten, die sich hervorragend zum Reinigen von „Grauwasser“ (mittelstark verschmutztes Wasser) eignet, und die ich immer wieder als Mulchmaterial schneiden und auf den Gemüsebeeten verteilen werde. Dazu kommen Papyrus und indischer Wassernabel - auch diese Pflanzen haben eine reinigende Wirkung auf das Wasser, und durch die unterschiedlichen Wuchshöhen, Formen und Farben entsteht ein schönes Feuchtbeet direkt vor dem Haus. Eingeleitet wird das Wasser durch PVC-Rohre, in die wir mit einem heißen Nagel seitlich Löcher eingebrannt haben, sodass sich das Wasser regelmäßig in Tröpfchen verteilt. Eine ökologisch verträglichere Variante wäre Bambus, wenn man Zugang zu dem Material hat und sich etwas mehr Zeit zum Basteln nimmt.



Was wir in diesem Fall noch nicht hatten: Material zum Abdichten des Beckens. Dadurch versickert das Wasser, das die Pflanzen im Becken nicht aufnehmen, gereinigt im Boden und gelangt zurück ins Grundwasser. Für die Bewässerung der daneben liegenden Gemüsebeete muss also eine andere Wasserquelle sorgen. Das ist in unserem Falle der Grundwasserbrunnen, in das das Wasser abfließt. Allerdings bedeutet das tägliche Hochpumpen des Wassers einen Energieverlust, den wir mit einer direkten Weiterleitung des gereinigten Grauwasser nicht in Kauf nehmen müssten. Ideal ist diese Lösung also noch nicht.
Da wir aber wenig später, beim Anlegen des Gemüsegartens eine große Menge sehr tonhaltigen Lehm entdeckt haben, wird das nächste Haus auf Sapney Farm, an das ich mich heranwage, ein gestampftes Lehmbecken bekommen, aus dem wir das Wasser weiterleiten können.

Aber das ist eine Geschichte, die ich ein anderes mal erzählen werde.
Zuerst einmal wollen wir „produktiv“ werden. - Beim nächsten mal wird es also um die neuen Gemüsebeete gehen. Die Design-Challenge dabei: Wir müssen einen Weg finden, wie sie Trockenheit und Monsoon gleichermaßen überstehen können, ohne auszutrocknen oder weggeschwemmt zu werden. Und bei dem wenigen Platz, den wir haben, fragen wir uns zusätzlich: Können wir sie so gestalten, dass sie gleichzeitig das benachbarte Kompostklo zu jeder Zeit zu einer sicheren, trockenen Zone machen? - Das alles wird sich im nächsten Eintrag zeigen.

Für alle, die es interessiert, hier noch weitere Informationen zur natürlichen Wasseraufbereitung:

Lesenswerte Einführung zum Thema Wasseraufbereitung und Permakultur, mit zahlreichen Beispielen: http://permaculturetokyo.blogspot.in/2008/11/greywater-guidelines.html

Ein tieferes Verständnis vermittelt dieses Dokument, mit Pflenzungs-Beispielen und tollen Skizzen, die das Thema anschaulicher machen: http://www.wetlands.org/LinkClick.aspx?fileticket=rh7DSmDahzw%3D&tabid=56

Detailllierte Forschungen der NASA zu unterschiedlichen Arten der Wasseraufbereitung, auch für den Hausgebrauch: http://www.ssc.nasa.gov/environmental/docforms/water_research/water_research.html

1 Kommentar: