Freitag, 15. März 2013

Heal the Soil

Willkommen bei Heal the Soil - einer Permakultur-Bewegung in Süd-Indien!

„Heal the Soil“ ist eine kleine Bewegung in Kottakarai, einem Dorf im Süden Indiens, mit der Vision, ein Experimentierfeld für naturnahe und nachhaltigen Lebensweise zu eröffnen. Nahe der internationalen Stadt Auroville eröffnet ein Stückchen Land mit dem Namen „Sapney Farm“ Voluntär*innen aus aller Welt ein Versuchsfeld für Permakultur und selbstorganisierte Projektgestaltung. Sapney Farm, benannt nach dem tamilischen Wort für „Traum“, entstand vor drei Jahren und ist nach wie vor im Aufbau. Die langfristige Vision ist es, gemeinsam mit Familien aus Kottakarai und ihren Hausgärten eine Lebensmittel-kooperative zu gründen. Es liegt noch viel vor uns, um dieses Ziel zu erreichen. Die Erfahrungen, die ich als Freiwillige Mitarbeiterin für ein Jahr bei „Heal the Soil“ mache, werde ich auf diesem Blog teilen. Schaut euch um, lest euch ein, kommentiert, stellt Fragen und tragt dazu bei, hier ein Forum für einen lebendigen Austausch zu schaffen!
Ich wünsch' euch eine spannende Zeit beim Lesen dieses Blogs und freue mich auf eure Beiträge!

Sara,
Langzeit-Voluntärin bei „Heal the Soil“

Kleines Vorwort zur großen Permakultur-Frage

Was tun eigentlich Permakultur-Designer? Nun, in erster Linie versuchen wir, organische Abläufe und stabile Systeme zu gestalten, indem wir den Lauf der Dinge in der Natur imitieren. Nach dem Grundsatz „Go with the flow“ schaffen wir in unserer Umgebung Schritt für Schritt einen produktiven Lebensraum, beobachten die natürlichen Ablaufe um uns herum und greifen gestalterisch ein. Unser Ziel ist es, Systeme zu kreieren, die unsere täglichen Bedürfnisse decken und sich selbst regulieren können. Deswegen sind unsere zentralen Themen Landwirtschaft, Wassermanagement, medizinische Versorgung und Architektur. Teil dieser Systeme sind aber auch unsere sozialen Verbindungen. Wir versuchen in Grunde genommen, die Gemeinschaft von Menschen, Tieren und Pflanzen an einem bestimmten Ort so aufzubauen, dass alle Elemente des Systems im gegenseitigen Nutzen verknüpft sind. Dabei wollen wir möglichst viel Verbindungen kreuz und quer durch das ganze System herstellen, sodass es stabil, produktiv und lebendig wird. Ein Permakultur-Design baut also auf den Prinzipien von Kreislaufwirtschaft, Selbstorganisation und Kooperation.
→ mehr dazu siehe „Info-Plus“*)


Starting to Heal the Soil: Ankunft in Kottakarai

Als das Taxi in Schritttempo über die Straßen von Kottakarai rollt, bin ich seit mehr als 24 Stunden wach. Zwischen dem Erstaunen über jeden neuen Eindruck in diesem Land, das ich als vollkommener Neuling betrete, überkommt mich immer wieder ein Sekundenschlaf, aus dem ich durch ein Aufprallen meines Kopfes an der Autotür aufwache. Meine ersten Stunden in Indien sind also im wahrsten Sinne des Wortes "traumhaft".
Die Straßen hier haben keine Namen, und die Häuser keine Nummern. Die Adresse auf meinem Schmierzettel ist also an und für sich eine Wegbeschreibung. Ganz leicht haben wir es trotzdem nicht, vor allem, weil die Sonne langsam untergeht und die Leute sich in ihre Häuser zurückziehen. An jeder Ecke halten wir und fragen nach "Sapney Farm", dem Ziel meiner Reise, oder nach "Heal the Soil CSA" . Währenddessen telefoniert der Fahrer mit Snehal, meiner Kontaktperson hier, und lässt sich mehrere Male den Weg erklären. Erst als wir direkt vor der Farm stehen, erklärt uns der Nachbar, dass wir den Ort, nach den wir suchen, bereits gefunden haben. In diesem Moment weiß ich nicht genau, wer darüber mehr erleichtert ist, mein Fahrer oder ich. Er stoppt den Motor. Etwas desorientiert wackeln ich und mein Rucksack durch das grüne Eingangstor, und ich setzte mich erleichtert zum ersten mal auf den Boden von Sapney Farm, meinem neuen „Zuhause“ für dieses Jahr. Im Dunkeln - es ist schon nach sieben Uhr abends - krame ich in meinem Reisegepäck nach den Rupie-Bündeln und einer Packung Manner Wafferl, bedanke mich bei meinem Fahrer und versuche, mich etwas zu orientieren.
Das erste, was Reisende in Indien angeblich verstehen lernen, ist: Es gibt kein „typisches Indien“ - und es gibt kein „typisches Indisches Dorf“. Zu groß ist das Land, zu vielfältig die Landschaften, Lebensweisen und Weltbilder, die einem hier begegnen. Das zweite, das gleich danach kommt, ist: Das Selbstbild des „kulturell offenen Westlers“ bringt dich beim Verständnis deiner Umwelt nicht weiter. Deine gesellschaftliche Prägung und deine Perspektive auf die Welt gehören zu einem Mosaik an Sichtweisen, die in dieser Welt existieren, und die alle in gewisser Weise richtig, in gewisser Weise falsch sind. - Das sind die Basis-Weisheiten, die mir die „Traveller“, von denen es in dieser Region nur so wimmelt, sehr glaubhaft vermittel. Ich versuche daher als Zwischenlösung, mir bei dem, was ich tue, sowie bei dem, was ich hier schreibe, meines persönlichen und gesellschaftlichen Backgrounds bewusst zu bleiben. Das wird streckenweise gelingen, streckenweise scheitern, nehme ich an. Für die Leser*innen dieses Blogs bedeutet das: Die Beschreibungen und Erfahrungen hier, ob nun persönlich oder sachlich formliert, sind unvermeidlich subjektiv und tragen eine gewisse Perspektive in sich, die zur Diskussion offen steht. Jeder Kommentar ist also herzlich willkommen.


Erst mal Orientierung gewinnen...


Sapney Farm ist mehr ein großer Garten als eine Farm, übervoll mit Papaya- und Bananenbäumen, dazwischen ein paar Gemüsepflanzen und Kräuter, oft aber auch trockene Fleckchen, die auf engagierte Volunteers warten. Auf dem Gelände verstreut stehen kleine gemauerte Häuschen, die die Langzeit-Volunteers bewohnen. Bambushütten mit Schlafplätzen im Dachgeschoß bieten Platz für Gäste, und werden im Erdgeschoß als Gemeinschafts-Raum bzw. -Küche genutzt. Einige der Gebäude hier sollen bald zu eigenständigen Einheiten werden, Modelle für die Häuser im Dorf, mit eigenem Wasserkreislauf und Anbauflächen für Obst und Gemüse, alle gemeinsam eingebettet in ein Permakultur-System, das die ganze Farm umfasst. Die Idee ist ambitioniert, ob die Modelle hier im Dorf Gefallen finden werden, steht noch offen. Weniger als einen Hektar umfasst die Fläche von Sapney Farm, auf der je nach Jahreszeit zwischen 5 und 20 Menschen leben, und noch gibt sie nicht genug her, um alle zu ernähren. - Work in Progress...
Die meisten Menschen, die ich an diesem Abend treffe, sind Reisende aus Europa, die hier einige Monate als Volunteers verbracht haben, und beim Aufbau des Gartens und der Gebäude helfen. Einige haben ihre Permakultur-Ausbildung auf der Sapney Farm begonnen, andere begleitet diese Thema schon längere Zeit, und sie suchen hier nach neuen Methoden, Ideen und Erfahrungen. Zu den letzteren gehöre ich. Ich werde die meiste Zeit des Jahres an diesem Ort verbringen, und hier in einer Gemeinschaft ständig wechselnder Menschen leben. Zusammen mit dem Inhaber Snehal, dem Gärtner Elumalai und den „Ammas“, unseren „Mamis“, werden wir Volunteers hier Beete anlegen, am Abwassersystem basteln,und versuchen, Kooperationen mit unseren Nachbarn aufzubauen - also von und mit den Pflanzen, Menschen und Tieren hier lernen und leben.
Kottakarai ist eines der Dörfer, die die "internationale Stadt" Auroville umgeben, und die ohne dieses Großprojekt der Nachhaltigkeit, Gütergemeinschaft und spirituellen Selbstentfaltung nicht in der Form existieren würden. Mit der Zuwanderung ins Umland dieses finanzstarken Projektes, das zahlreichen „Non-Aurovillians“ als Arbeitsplatz dient, entstand eine Mischung aus Plastikbergen und Ökofarmen, veganen Restaurants und Motorradverleihen, die Stück für Stück in das ehemalige Brachland wachsen. Vor noch 50 Jahren war hier nichts als Wüste. Heute findet mein Taxifahrer, der selbst seit sieben Jahren hier lebt, zwischen den Häusern und Wäldern kaum mehr den Weg zu dem Ort, den wir suchen.
Die erste Nacht auf Sapney Farm verbringe ich mit einem Ankunftsgefühl, in dem sich jede erdenkliche Stimmungslage sowie Sprache mischt, versorgt mit handgemachter Pasta - ein italienischer Volunteer feiert Geburtstag - und 30 Grad warmem indischen Bier. - Für Sapney Farm, die viele junge Reisende und Freiwillige beherbergt, eine bezeichnende Mischung, wie mir scheint.


Das Dorf und wir – Ein Versuch namens „Community Kitchen Gardens“ 

Neben dem Aufbau der Sapney Farm werden wir Volunteers von „Heal the Soil“ viel Zeit mit dem "Community Kitchen Garden Project" verbringen, in dem mehrere Familien aus dem Dorf gemeinsam mit dem Team von Heal the Soil Gärten für den Eigenbedarf aufbauen. Als Kooperative sollen sie schließlich mit den Überschüssen das Restaurant "Kofi Bar", das wie die Sapney Farm dem Koordinator Snehal gehört, beliefern. Wie wir Volunteers unsere Rolle darin finden wird sich zeigen. Vom Nachbargrundstück trennt uns auf der Sapney Farm nur ein dünner Maschendrahtzaun. Trotzdem ist die Welt auf der Sapney Farm nicht ganz dieselbe wie in Rest-Kottakarai. Das hat viele Gründe. Ganz verstehen werde ich das wohl erst in den nächsten Monaten.



*) Info-Plus: Was ist Permakultur?

Permakultur bedeutet Permanent Agriculture und meint eine Landwirtschaft, die auf ökologischen Kreisläufen und einer Orientierung an Abläufen und Mustern der Natur basiert. Entwicklelt und ausformuliert wurde der Permakultur-Ansatz von den Australiern Bill Mollison und David Holmgren in den 1970er Jahren: "Permakultur (dauerhafte Landwirtschaft) ist die bewusste Gestaltung und Erhaltung landwirtschaftlich produktiver Ökosysteme, die die Mannigfaltigkeit, Stabilität und Widerstandsfähigkeit natürlicher Ökosysteme aufweisen. Permakultur ist die harmonische Verflechtung von Landschaft und Menschen, die Nahrung, Energie, Behausung und andere Materielle und immaterielle Bedürfnisse für die Menschen bereit stellt." (aus Bill Mollison: Handbuch der Permakulturgestaltung, 1988, Tagari Publications)

Im Zentrum der Permakultur steht eine Ethik, die den Menschen als gleichbereichtigte*n Teilnehmer*in in einem vielfältigen Ökosystem sieht. Diese Ethik ist in drei einfachen Punkten formuliert:
1.) Sorge um die Erde.
2.) Sorge um die Menschen.
3.) Teile gerecht und schränke dich ein.
Ziel dieser Ethik ist das kulturelle Festigen einer Umgangsweise mit der Umwelt, die im Bewusstsein ihrer Komplexität ökologische und soziale Krisen vermeiden und ihnen entgegenwirken möchte. Damit geht Permakultur über die landwirtschaftliche Praxis hinaus, und kann auf alle Lebensbereiche angewandt werden.
Für die Landwirtschaft, die als Versorgerin und wichtiges Aktionsfeld des Menschen dennoch im Zentrum der Permakultur steht, heißt das: ein bewusster Aufbau von Bodenfruchtbarkeit und eine Erhaltung der biologischen Vielfalt, bewusstes Erkennen der vorhandenen Ressourcen und ihr schonender und vielfältiger Einsatz. Es geht darum, mit Kreativität und Voraussicht gestalterisch in ein Ökosystem einzugreifen, um sich versorgen zu können, aber ohne dabei die Funktionen des Ökosystems zu beschneiden oder zu zerstören, sondern im Gegenteil die natürlich darin vorkommenden Prozesse und Kräfte geschickt als Mitarbeiter*innen für die eigene Versorgung einzusetzen.
Die Permakultur bedient sich vieler unterschiedlicher Methoden und traditioneller Techniken aus der Landwirtschaft und vereint diese, entwicklet aber auch Neues. Die Methoden sind von Ort zu Ort, und von Klimazone zu Klimazone unterschiedlich. Die Prinzipien jedoch, nach denen gestaltet wird, sind so formuliert, dass sie in jedem Fall anwendbar sind.
In der Formulierung von David Holmgren (die etwas von der von Bill Mollison abweicht) sind das:

1.) Beobachte und Handle. Wichtig ist das Eingehen auf lokale Gegebenheiten, auf den Ort und seine geographische Beschaffenheit, auf die Wind- und Wettereinflüsse, die Menschen, Tiere und Pflanzen, die ihn prägen und in der Vergangeheit geprägt haben. Lass dir Zeit beim Beobachten, lernen den Ort unter verschiedensten Wetterbedingungen und zu unterschiedlichen Jahreszeiten kennen. (z.B. Wo fließt bei Starkregen das Wasser ab? Wo schmilzt Schnee am frühsten?) Erst dann beginnt die Planungsphase. Beobachten und Handeln finden dann in der Umsetztung immer gleichzeitig statt, sodass die eigenene Interventionen und gestalterischen Maßnahmen verstanden werden können, und die Konsequenzen des eigenen Handelns nachvollziehbar werden
.
2.) Fange Energie ein und Bewahre sie. Wind, Wasser, und Sonne strömen auf ein Grundstück ein. Sie werden so geleitet, dass ihre Effekte so oft es geht genutzt werden und nach Möglichkeit auch mehrmals gespeichert werden können. erst wenn alle Bedürfnisse im System (nach Wärme, Wasser, Energie, bestäubendem Wind, Elektrizität etc.) gestillt sind, sollte die Energie das System verlassen können. Hierzu wird eine bewusste "Sektorenplanung" angewendet.

3.) Fahre eine Ernte ein. Es soll nicht beim Experimentieren bleiben. Experimente sind wichtig, um den Ort, das Klima, die Pflanze und ihr Verhalten zu anderen Teilen des Ökosystems besser kennen zu lernen. Trotzdem sollte die Versorgung immer ein Ziel sein, das zumindest teilweise erfüllt wird. Der Aufbau von Bodenfruchtbarkeit und die Stabilisierung des permakulturellen Systems sind nicht alleiniges Ziel, sondern immer in gleichem Maße wichtig wie die eigene Versorgung mit Lebensmitteln. Ziel ist es immerhin, sich als Mensch mit all den Bedürfnissen an Nahrung, Unterkunft, Trinkwasser usw. als Teil eines funktionierenden Ökosystems zu integrieren.

4.) Lass die Natur die Regulieren und akzeptiere ihr Feedback. Die Natur gibt in der permakulturellen Gestaltung das Rahmenwerk vor. Wird mit den natürlischen Tendenzen gearbeitet (Vertrocknung, Vergrasung, Verwaldung) und werden sie bewusst genutzt, habe ich bedeutend weniger Pflegeaufwand. Erweist sich ein Ort als sehr pflegeaufwändige, ist es ratsam ihn seinen natürlichen Tendenzen entsprechend umzugestalten (an trockenen Plätzen kann ich etwa ein Schotterbeet anlegen, wo viele seltene Blumen und Arzneipflanzen gedeihen, die ich ohne viel Aufwand nutzen kann. Ein Gemüsebeet hier anzulegen erfordert hingegen ständiges Gießen)

5.) Nutze und schätze erneuerbare Ressourcen. In der Permakultur gilt es, erst das Potenzial dessen auszuschöpfen, was vor Ort zu Genüge vorhanden ist, während der Verbrauch an seltenen oder weit entfernt vorkommenden Ressourcen möglichst vermieden wird. Das bezieht Baumaterialien, Energieträger und Nahrungs- und Arzneipflanzen sowie tierische Produkte mit ein. Vor allem wird auf Kräfte und Ressourcen gesetzt, die immer verfügbar sind, wie Wind oder Sonne, oder auf Ressourcen, die im Kreislauf des Permakultursystem laufend prduziert werden, etwa Biomasse (Stichwort Biomeiler). Wind- und Sonnenenergie, nachwachsende oder im Boden vorhandene Baumaterialien werden genutz.

6.) Produziere keinen Abfall. In einem natürlichen Ökosystem gibt es keine Abfälle, es wird alles einer Verwertung zugeführt, und Nährstoffe werden im Kreislauf gehalten. Die Permakultur orientiert sich an diesem Modell und versucht, allen Dingen einen Nutzen zu geben. Hier spielt kreatives Recycling eine wichtige Rolle. Auch gilt es, Ressourcen wie Wasser, wenn gebraucht, der Natur wieder so zurückzugeben, dass sie sie verwerten kann.

7.) Plane vom Muster zum Detail. "Form follows Function". In der Natur haben sich Muster herausgebildet, die sich in unterschiedlichen Bereichen wiederholen, und die wir nach einiger Beobachtung einer gewissen Funktion zuordnen können. Wir finden diese Muster auch technisch angewandt wieder, etwa überlappende Schindeln auf Dächern, die sich mit den Schuppen von Fischen vergleichen lassen. So wird in der Permakultur etwa in Form der Kräuterspirale nachgebaut, was ein Schneckanhaus funktionell leistet: Es bietet viel Raum auf wenig Platz, und durch seine eingewickelte Form geht kann Wärme besser gespeichert werden. Auch soziale Muster und Muster im Verhalten lassen sich gewissen Funktionen zuordnen, die wir reproduzieren oder bewusst nicht reproduzieren können, um zu gewissen einem Ergebnis zu gelangen. Diese Muster sind formgebend für unsere Planung, sie werden im ersten Schritt mit den örtlichen Gegebenheiten und den Bedürfnissen und Zielen zusammengeführt und grob geplant. Erst dann folgen die Details und die Anordnung der Elemente, und es kommt zur Umsetzung.

8.) Integrieren statt Zerteilen. Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen (also eine Pflanze, eine Mauer, ein Tümpel, eine Außenkochstelle) des Systems werden so gestaltet, dass sie einander positiv beeinflussen. Permakultur ist Beziehungsarbeit. Symbiosen zwischen Pflanzen werden bewusst genutzt und es wird so geplant, dass ein Element möglichst viele seiner positiven Effekte entfaltet. So kann ein Stein- und Schotterhaufen Unterschlupf für Kleinlebewesen, Wärmespeicher und Lebensraum für besondere Pflanzenarten bieten, deshalb wird er dort platziert,wo auch all diese Effekte gebraucht werden können. Ein Dach kann als Unterstand dienen und als Gründach zusätzlichen Pflanzbereich bieten. Wichtig ist nicht die große Anzahl der Elemente, sondern die große Anzahl der positiven Beziehungen, in denen es steht, damit sein Mehrfachnutzen wirksam wird.

9.) Nutze kleine, langsame Lösungen. Wenn ich mit einem komplexen System wie z.B. einem naturnahen Gemüsegarten arbeite, werden am besten immer kleine Schritte gesetzt, und zwar einer nach dem anderen. Nur so habe ich die Möglichkeit, die Konsequenzen meines Handelns zu überblicken und aus ihnen zu lernen, bzw. regulierende Maßnahmen einzuleiten. Auch die Größe meines Projektes lege ich idealerweise so klein an, dass nicht all meine Zeit und Kraft für die Pflege aufgewendet werden muss, sondern mir im Alltag recihlich Zeit und Kraft übrig bleibt, um im Notfall (z.B. Überschwemmung) einen Spielraum für Regulierungen zu haben. Kleine, langsame Lösungen zu verwenden bedeutet auch, dass ich nicht alle mir zur Verfügung stehenden Ressourcen (Fläche, Baumaterial, eingen Energie etc.) gleichzeitig einbringe, sondern schrittweise nacheinander. Für ein Problem suche ich immer die einfachsten, naheliegendste Lösungen, die mit wenig Aufwand zu pflegen und leicht zu reparieren sind.

10.) Nutze und schätze die Vielfalt. Vielfalt bringt Stabilität und ermöglicht dem Ökosystem, sich in Situatonen eines Schocks oder Ausfalls schnell selbst zu regulieren. Eine Vielfalt an Lebensräumen (Wald, Fließende und stehende Gewässer, Hecken, Felder, Wiesen, Schotter etc.), an Mikroklimata (Bachufer, Heckenschatten, Windstille Bereiche, wärmeabstrahlende Mauern etc), an Arten, Lebewesen und an Kultursorten sind ausschlaggebend für ein Permakultur-System, das zu unterschiedlichen Jahreszeiten, Wetterlagen und im Falle von Extremstuationen die eigene Versorgung sicherstellen kann. Viele Elemente sollen da sein, um eine spezielle Funktion zu erfüllen (z.B. Wasserversorgung über Grundwasser, Regenwasser, bewusste Pflanzungen um viel Wasser zu speichern und an der Blattoberfläche verdunsten zu lassen, Himmels- und Grundwasserteiche, und in Mäandern geleitete Bäche am Grundstück etc.), und ein Element sollte so gesetzt sein dass es möglichst viele Funktionen erfüllen kann (Bsp Steinhaufen von oben). Auch sollte nicht alles von einer Art an einem einzigen Platz stehen, sonder an mehreren Orten verteilt sein, damit Krankheiten oder einfallende Insekten nicht gleich den gesamten Bestand, sondern nur einen Teil beschädigen.

11.) Nutze Randzonen. Randzonen sind die Übergänge von einem Bereich zum anderen, wir finden sie zum Beispiel dort, wo Schotterflächen enden und fruchtbare Erde beginnt, an Flussufern oder an Waldrändern. Sie sind hoch potente Schauplätze des Ökosystems, denn hier treffen Eigenschaften und Arten unterschiedlicher Bereiche aufeinander, wirken zusammen und vermischen sich. Die möglichen Kombinationen von warm, feucht, kühl, trocken, wasseraufnehmend und wasserableitend, reflektierend oder speichernd sind mannigfaltig. Möglichst viele Übergangszonen in möglichst vielen Kombinationen zu schaffen erhöht die Vielfalt im System und macht es produktiver. Lege ich beispielsweise einen Teich an, kann ich durch ein Wellenlinienförmiges Gestalten des Ufers (als würde ich das Ufer etwas einfalten) im Verhältnis zur Wasseroberfläche an Uferlänge gewinnen, und kann an einem Teil steinige, an einem anderen Teil sandige und wieder an einem anderen Teil schilfbewachsene Uferzonen schaffen.

12.) Sei kreativ und Antworte auf Veränderungen. Permakultur bedeutet, immer wachsam und aktiv in einer Beziehung zum System, z.B. meinem Garten oder meinem Feld, zu stehen. Ergibt sich eine Veränderung, beobachte ich sie genau und reagiere aktiv. Entweder, um glückliche Zufälle zu nutzen (z.B. zufällige Kreuzungen, die ich versuche zu erhalten und zu vermehren), um positive Entwicklungen zu nutzen und zu fördern (z.B. das Auftauchen einer seltenen Art zu fördern, indem ich ihr Lebensraum schaffe und unterstützende Nachbarschaft an Tier- und Pflanzenarten dazupflanze oder hinleite), und um ungewollte Entwicklungen zu bremsen (etwa die übermäßige Ausbreitung einer Topinamburpflanzung durch eine Teich-Begrenzung)

1 Kommentar:

  1. Hallo Sara!

    Super, dass du deine Erfahrung bei Heal The Soil mit uns teilst! Ich werde deinen Blog mit besonderer Spannung verfolgen, da ich selbst vor einem Jahr dort sein wollte, mir aber ein gebrochenes Bein dazwischenkam!
    Ende des Jahres werde ich aber die Reise nach Indien nacholen und bestimmt auch bei Heal the Soil vorbeischaun!
    Wünsche dir die beste Zeit deines Lebens!

    Alles Liebe,
    Christopher

    PS: Finde es großartig, dass du den Permakulturworkshop in Wien veranstaltet hast!
    Habs leider nie hingeschafft, aber nur gutes darüber gehört. Die Welt braucht mehr Leute wie dich!

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