Jede Medaille hat zwei Seiten. So auch
mein gemauertes Häuschen mit eigenem Badezimmer, das ich an meinem
ersten Tag auf Sapney Farm beziehe. In diesem Fall steht dem Komfort
einer privaten Dusche die Tatsache entgegen, dass das Wasser, das ich
dabei nutze, auch wieder irgendwo hin abfließen muss.
Und da gibt es so ein Problem...
Nachdem ich mich in meine neuen
„Zuhause“ eingerichtet habe dauert es nicht lange, bis ich auf
das feuchte Areal neben dem Haus aufmerksam gemacht werde. Da hin
fließt es nämlich, das Duschwasser, durch ein liebevoll gestemmtes
Loch in der Außenmauer, gleich auf die Erde nebenan. Ein Loch hat
diese Mauer für meine Dusche, und ein Loch für die Dusche der
zweiten Wohneinheit. Die Moskitos lieben es...
Nicht schlecht, denke ich mir, denn wer
sich mehr Erfahrung mit Permakultur aneignen will, der/*/die freut
sich über offene Kreisläufe, die es zu schließen gilt. Und wenn es
sich noch dazu um Wasser handelt, dass hier einfach so im Boden
versickert, dann gibt’s doch endlos viele Möglichkeiten, dem einen
Nutzen zu geben. Ich schnappe mir also ein Mamti (das lokale Werkzeug
für einfach alles) und beginne, meinem Moskitotümpel buchstäblich
„auf den Grund zu gehen“.
Ich lege den Bereich neben dem Haus
trocken, indem ich einen Graben aushebe um das Wasser abzuleiten. Nun
fließt es in ein Loch etwas weiter vor dem Haus, aus dem ich
beginne, es abzuschöpfen. Währenddessen wundere ich mich schon ein
wenig, dass das Wasser in schier unendlichen Mengen nachzukommen
scheint. Dass ein Boden so viel Wasser speichern kann, wäre mir neu.
Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch
nicht, worin ich da gerade wirklich stehe. Rückblickend kann ich
sagen: Ein Bad im Ganges hat nach diesem Erlebnis vollends seinen
Schrecken verloren...
Skeptisch geworden, arbeite ich mich
nochmals zur „Quelle“ vor. Und während ich zwischen den beiden
Löchern in der Wand immer tiefer grabe, wird mir klar: Das Wasser
fließt von unterhalb des Hauses nach. Weiter und immer weiter...
Wenig später erfahre ich von dem „Septic Tank“ unter dem Haus,
in dem sich das Material aus der indischen Hocktoilette ansammelt,
die sich ebenfalls in meinem Badezimmer befindet. Er musste kürzlich
zum Abpumpen aufgestemmt werden, und im Eifer des Gefechts wurde eine
Stelle zwischen den Ausgängen der Dusche geöffnet, mittig gelegen,
und doch etwas unterhalb der Löcher. Mit dem Ergebnis, dass das
Wasser aus der Dusche fortan in den Septic Tank floss, und ihn rasch
wieder füllte.
Aus dieser Mischung besteht es also,
das feuchte Areal neben dem Haus, in das ich mich mit voller
Motivation stürze. So viel zur Ausgangslage.
Die Permakultur-Design-Herausforderung:
Eine schnelle Lösung will gefunden
werden, das Wasser aus der Dusche an einen anderen Ort zu leiten, es
zu reinigen und es im Idealfall auch noch für den Garten weiter zu
nutzen. Auf jeden Fall soll es nicht weiter in den Septic Tank
fließen, damit sich das Material darin wieder setzen kann. (Später wird der Tank abgepumpt, versiegelt, und das WC im Bad durch ein Kompost-Klo im Garten ersetzt.)
Ich stelle mir zuerst die Frage: Welche
Bedürfnisse habe ich sonst noch in meinem System?
In meinem Fall fehlt mir das
Mulchmaterial für den Gemüsegarten, der vor dem Haus angelegt
werden soll. Ich brauche also einen Platz, an dem viel Pflanzenmasse
in kurzer Zeit wachsen kann, die ich schneiden und als Bodenbedeckung
auf die Beete legen kann. Außerdem soll der Bereich vor der Hütte
auch etwas „für's Auge“ sein.
Generell fehlt es dem Garten in dieser
Jahreszeit (in Tamil Nadu beginnt gerade der Sommer) an ausreichend
Wasser. Zu Monsoon-Zeiten allerdings wird das Wasser zur alles
mitreißenden Kraft. Mit beiden Extremen muss das Design des Geländes
fertig werden.
Ein weiterer wertvoller Gedanke für
das Design: Was begrenzt mich in meinen Möglichkeiten bzw. was
erweitert sie? Auf jeden Fall möchte ich so weit es geht auf Plastik
und Zement verzichten, und diese Materialien nur da einsetzen, wo es
wirklich nötig ist. Die finanziellen Mittel sind begrenzt, und die
Arbeit muss mit der Hand schaffbar sein. Was hingegen meine
Möglichkeiten erweitert, sind die vielen anderen Voluntär*innen auf
Sapney Farm, ihr Wissen und ihre Erfahrung. Ich mache mich also nicht
alleine an die Planung, sondern belästige zusätzlöich Itai,
unseren Wasser-Aufbereitungs-Spezialisten, und Martin, den
praxiserprobten Permakulturisten, der schon viel Erfahrung in den
Tropen gesammelt hat. Gemeinsam nehmen wir uns einige Tage Zeit,
sammeln Pläne und beschreiben einander Ideen, holen Infos ein,
vermessen das Gelände und versuchen, die Wassermenge einzuschätzen,
mit der wir es zu unterschiedlichen Zeiten zu tun haben werden. Der
Grundsatz hierbei: Plane für Extremsituationen. Davon ausgehend
zeichnen wir unterschiedliche Skizzen und denken verschiedene
Möglichkeiten durch, wie wir das Wasser sammeln, reinigen und nutzen
können – und das auf eine ästhetisch ansprechende Art und Weise.
Das Ergebnis: Ein geschwungenes Becken
von etwas mehr als einem halben Meter Tiefe, gefüllt mit einer
Schicht Sand, einer Schicht Kohle und einer Schicht Kiesel. Die
Kombination aus diesen Materialien wirkt wie ein Filter. Zusätzlich
ist das Becken mit Canna bepflanzt, einer schnell wachsenden Pflanze
mit leuchtend orange-gelben Blüten, die sich hervorragend zum
Reinigen von „Grauwasser“ (mittelstark verschmutztes Wasser)
eignet, und die ich immer wieder als Mulchmaterial schneiden und auf
den Gemüsebeeten verteilen werde. Dazu kommen Papyrus und indischer
Wassernabel - auch diese Pflanzen haben eine reinigende Wirkung auf
das Wasser, und durch die unterschiedlichen Wuchshöhen, Formen und
Farben entsteht ein schönes Feuchtbeet direkt vor dem Haus.
Eingeleitet wird das Wasser durch PVC-Rohre, in die wir mit einem
heißen Nagel seitlich Löcher eingebrannt haben, sodass sich das
Wasser regelmäßig in Tröpfchen verteilt. Eine ökologisch
verträglichere Variante wäre Bambus, wenn man Zugang zu dem
Material hat und sich etwas mehr Zeit zum Basteln nimmt.
Was wir in diesem Fall noch nicht
hatten: Material zum Abdichten des Beckens. Dadurch versickert das
Wasser, das die Pflanzen im Becken nicht aufnehmen, gereinigt im
Boden und gelangt zurück ins Grundwasser. Für die Bewässerung der
daneben liegenden Gemüsebeete muss also eine andere Wasserquelle
sorgen. Das ist in unserem Falle der Grundwasserbrunnen, in das das
Wasser abfließt. Allerdings bedeutet das tägliche Hochpumpen des
Wassers einen Energieverlust, den wir mit einer direkten
Weiterleitung des gereinigten Grauwasser nicht in Kauf nehmen
müssten. Ideal ist diese Lösung also noch nicht.
Da wir aber wenig später, beim Anlegen
des Gemüsegartens eine große Menge sehr tonhaltigen Lehm entdeckt
haben, wird das nächste Haus auf Sapney Farm, an das ich mich
heranwage, ein gestampftes Lehmbecken bekommen, aus dem wir das
Wasser weiterleiten können.
Aber das ist eine Geschichte, die ich
ein anderes mal erzählen werde.
Zuerst einmal wollen wir „produktiv“
werden. - Beim nächsten mal wird es also um die neuen Gemüsebeete
gehen. Die Design-Challenge dabei: Wir müssen einen Weg finden, wie
sie Trockenheit und Monsoon gleichermaßen überstehen können, ohne
auszutrocknen oder weggeschwemmt zu werden. Und bei dem wenigen
Platz, den wir haben, fragen wir uns zusätzlich: Können wir sie so
gestalten, dass sie gleichzeitig das benachbarte Kompostklo zu jeder
Zeit zu einer sicheren, trockenen Zone machen? - Das alles wird sich
im nächsten Eintrag zeigen.
Für alle, die es interessiert, hier
noch weitere Informationen zur natürlichen Wasseraufbereitung:
Lesenswerte Einführung zum Thema
Wasseraufbereitung und Permakultur, mit zahlreichen Beispielen:
http://permaculturetokyo.blogspot.in/2008/11/greywater-guidelines.html
Ein tieferes Verständnis vermittelt
dieses Dokument, mit Pflenzungs-Beispielen und tollen Skizzen, die
das Thema anschaulicher machen:
http://www.wetlands.org/LinkClick.aspx?fileticket=rh7DSmDahzw%3D&tabid=56
Detailllierte Forschungen der NASA zu
unterschiedlichen Arten der Wasseraufbereitung, auch für den
Hausgebrauch:
http://www.ssc.nasa.gov/environmental/docforms/water_research/water_research.html
Na und schon in die heiße Phase gekommen.. ?
AntwortenLöschenlgD