Samstag, 25. Mai 2013

indian permaculture lesson #1: there's no such thing as waste


you might find a pile of waste, and you might find that chaos...

 

 


... is just an open circle, an unfinished pattern, and a lack of ideas...



...bring the waste back to life
 and close the circle.




and as your actions integrate themselves into the flow of nature...



 ...you overcome the idea of a "single use"...



... and suddenly the landfill is full of ressources.



it's all just a question of how we percieve what's around us.



nature knows no waste.
 i am nature.








Montag, 22. April 2013

Meine Hütte, mein Badezimmer, und zwei lehrreiche Tage im Klärschlamm (Wasser-Management für Anfänger)


Jede Medaille hat zwei Seiten. So auch mein gemauertes Häuschen mit eigenem Badezimmer, das ich an meinem ersten Tag auf Sapney Farm beziehe. In diesem Fall steht dem Komfort einer privaten Dusche die Tatsache entgegen, dass das Wasser, das ich dabei nutze, auch wieder irgendwo hin abfließen muss. 

Und da gibt es so ein Problem...

Nachdem ich mich in meine neuen „Zuhause“ eingerichtet habe dauert es nicht lange, bis ich auf das feuchte Areal neben dem Haus aufmerksam gemacht werde. Da hin fließt es nämlich, das Duschwasser, durch ein liebevoll gestemmtes Loch in der Außenmauer, gleich auf die Erde nebenan. Ein Loch hat diese Mauer für meine Dusche, und ein Loch für die Dusche der zweiten Wohneinheit. Die Moskitos lieben es...



Nicht schlecht, denke ich mir, denn wer sich mehr Erfahrung mit Permakultur aneignen will, der/*/die freut sich über offene Kreisläufe, die es zu schließen gilt. Und wenn es sich noch dazu um Wasser handelt, dass hier einfach so im Boden versickert, dann gibt’s doch endlos viele Möglichkeiten, dem einen Nutzen zu geben. Ich schnappe mir also ein Mamti (das lokale Werkzeug für einfach alles) und beginne, meinem Moskitotümpel buchstäblich „auf den Grund zu gehen“.
Ich lege den Bereich neben dem Haus trocken, indem ich einen Graben aushebe um das Wasser abzuleiten. Nun fließt es in ein Loch etwas weiter vor dem Haus, aus dem ich beginne, es abzuschöpfen. Währenddessen wundere ich mich schon ein wenig, dass das Wasser in schier unendlichen Mengen nachzukommen scheint. Dass ein Boden so viel Wasser speichern kann, wäre mir neu.

Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, worin ich da gerade wirklich stehe. Rückblickend kann ich sagen: Ein Bad im Ganges hat nach diesem Erlebnis vollends seinen Schrecken verloren...

Skeptisch geworden, arbeite ich mich nochmals zur „Quelle“ vor. Und während ich zwischen den beiden Löchern in der Wand immer tiefer grabe, wird mir klar: Das Wasser fließt von unterhalb des Hauses nach. Weiter und immer weiter... Wenig später erfahre ich von dem „Septic Tank“ unter dem Haus, in dem sich das Material aus der indischen Hocktoilette ansammelt, die sich ebenfalls in meinem Badezimmer befindet. Er musste kürzlich zum Abpumpen aufgestemmt werden, und im Eifer des Gefechts wurde eine Stelle zwischen den Ausgängen der Dusche geöffnet, mittig gelegen, und doch etwas unterhalb der Löcher. Mit dem Ergebnis, dass das Wasser aus der Dusche fortan in den Septic Tank floss, und ihn rasch wieder füllte.
Aus dieser Mischung besteht es also, das feuchte Areal neben dem Haus, in das ich mich mit voller Motivation stürze. So viel zur Ausgangslage.

Die Permakultur-Design-Herausforderung:

Eine schnelle Lösung will gefunden werden, das Wasser aus der Dusche an einen anderen Ort zu leiten, es zu reinigen und es im Idealfall auch noch für den Garten weiter zu nutzen. Auf jeden Fall soll es nicht weiter in den Septic Tank fließen, damit sich das Material darin wieder setzen kann. (Später wird der Tank abgepumpt, versiegelt, und das WC im Bad durch ein Kompost-Klo im Garten ersetzt.)

Ich stelle mir zuerst die Frage: Welche Bedürfnisse habe ich sonst noch in meinem System?
In meinem Fall fehlt mir das Mulchmaterial für den Gemüsegarten, der vor dem Haus angelegt werden soll. Ich brauche also einen Platz, an dem viel Pflanzenmasse in kurzer Zeit wachsen kann, die ich schneiden und als Bodenbedeckung auf die Beete legen kann. Außerdem soll der Bereich vor der Hütte auch etwas „für's Auge“ sein.
Generell fehlt es dem Garten in dieser Jahreszeit (in Tamil Nadu beginnt gerade der Sommer) an ausreichend Wasser. Zu Monsoon-Zeiten allerdings wird das Wasser zur alles mitreißenden Kraft. Mit beiden Extremen muss das Design des Geländes fertig werden.

Ein weiterer wertvoller Gedanke für das Design: Was begrenzt mich in meinen Möglichkeiten bzw. was erweitert sie? Auf jeden Fall möchte ich so weit es geht auf Plastik und Zement verzichten, und diese Materialien nur da einsetzen, wo es wirklich nötig ist. Die finanziellen Mittel sind begrenzt, und die Arbeit muss mit der Hand schaffbar sein. Was hingegen meine Möglichkeiten erweitert, sind die vielen anderen Voluntär*innen auf Sapney Farm, ihr Wissen und ihre Erfahrung. Ich mache mich also nicht alleine an die Planung, sondern belästige zusätzlöich Itai, unseren Wasser-Aufbereitungs-Spezialisten, und Martin, den praxiserprobten Permakulturisten, der schon viel Erfahrung in den Tropen gesammelt hat. Gemeinsam nehmen wir uns einige Tage Zeit, sammeln Pläne und beschreiben einander Ideen, holen Infos ein, vermessen das Gelände und versuchen, die Wassermenge einzuschätzen, mit der wir es zu unterschiedlichen Zeiten zu tun haben werden. Der Grundsatz hierbei: Plane für Extremsituationen. Davon ausgehend zeichnen wir unterschiedliche Skizzen und denken verschiedene Möglichkeiten durch, wie wir das Wasser sammeln, reinigen und nutzen können – und das auf eine ästhetisch ansprechende Art und Weise.

Das Ergebnis: Ein geschwungenes Becken von etwas mehr als einem halben Meter Tiefe, gefüllt mit einer Schicht Sand, einer Schicht Kohle und einer Schicht Kiesel. Die Kombination aus diesen Materialien wirkt wie ein Filter. Zusätzlich ist das Becken mit Canna bepflanzt, einer schnell wachsenden Pflanze mit leuchtend orange-gelben Blüten, die sich hervorragend zum Reinigen von „Grauwasser“ (mittelstark verschmutztes Wasser) eignet, und die ich immer wieder als Mulchmaterial schneiden und auf den Gemüsebeeten verteilen werde. Dazu kommen Papyrus und indischer Wassernabel - auch diese Pflanzen haben eine reinigende Wirkung auf das Wasser, und durch die unterschiedlichen Wuchshöhen, Formen und Farben entsteht ein schönes Feuchtbeet direkt vor dem Haus. Eingeleitet wird das Wasser durch PVC-Rohre, in die wir mit einem heißen Nagel seitlich Löcher eingebrannt haben, sodass sich das Wasser regelmäßig in Tröpfchen verteilt. Eine ökologisch verträglichere Variante wäre Bambus, wenn man Zugang zu dem Material hat und sich etwas mehr Zeit zum Basteln nimmt.



Was wir in diesem Fall noch nicht hatten: Material zum Abdichten des Beckens. Dadurch versickert das Wasser, das die Pflanzen im Becken nicht aufnehmen, gereinigt im Boden und gelangt zurück ins Grundwasser. Für die Bewässerung der daneben liegenden Gemüsebeete muss also eine andere Wasserquelle sorgen. Das ist in unserem Falle der Grundwasserbrunnen, in das das Wasser abfließt. Allerdings bedeutet das tägliche Hochpumpen des Wassers einen Energieverlust, den wir mit einer direkten Weiterleitung des gereinigten Grauwasser nicht in Kauf nehmen müssten. Ideal ist diese Lösung also noch nicht.
Da wir aber wenig später, beim Anlegen des Gemüsegartens eine große Menge sehr tonhaltigen Lehm entdeckt haben, wird das nächste Haus auf Sapney Farm, an das ich mich heranwage, ein gestampftes Lehmbecken bekommen, aus dem wir das Wasser weiterleiten können.

Aber das ist eine Geschichte, die ich ein anderes mal erzählen werde.
Zuerst einmal wollen wir „produktiv“ werden. - Beim nächsten mal wird es also um die neuen Gemüsebeete gehen. Die Design-Challenge dabei: Wir müssen einen Weg finden, wie sie Trockenheit und Monsoon gleichermaßen überstehen können, ohne auszutrocknen oder weggeschwemmt zu werden. Und bei dem wenigen Platz, den wir haben, fragen wir uns zusätzlich: Können wir sie so gestalten, dass sie gleichzeitig das benachbarte Kompostklo zu jeder Zeit zu einer sicheren, trockenen Zone machen? - Das alles wird sich im nächsten Eintrag zeigen.

Für alle, die es interessiert, hier noch weitere Informationen zur natürlichen Wasseraufbereitung:

Lesenswerte Einführung zum Thema Wasseraufbereitung und Permakultur, mit zahlreichen Beispielen: http://permaculturetokyo.blogspot.in/2008/11/greywater-guidelines.html

Ein tieferes Verständnis vermittelt dieses Dokument, mit Pflenzungs-Beispielen und tollen Skizzen, die das Thema anschaulicher machen: http://www.wetlands.org/LinkClick.aspx?fileticket=rh7DSmDahzw%3D&tabid=56

Detailllierte Forschungen der NASA zu unterschiedlichen Arten der Wasseraufbereitung, auch für den Hausgebrauch: http://www.ssc.nasa.gov/environmental/docforms/water_research/water_research.html

Freitag, 15. März 2013

Heal the Soil

Willkommen bei Heal the Soil - einer Permakultur-Bewegung in Süd-Indien!

„Heal the Soil“ ist eine kleine Bewegung in Kottakarai, einem Dorf im Süden Indiens, mit der Vision, ein Experimentierfeld für naturnahe und nachhaltigen Lebensweise zu eröffnen. Nahe der internationalen Stadt Auroville eröffnet ein Stückchen Land mit dem Namen „Sapney Farm“ Voluntär*innen aus aller Welt ein Versuchsfeld für Permakultur und selbstorganisierte Projektgestaltung. Sapney Farm, benannt nach dem tamilischen Wort für „Traum“, entstand vor drei Jahren und ist nach wie vor im Aufbau. Die langfristige Vision ist es, gemeinsam mit Familien aus Kottakarai und ihren Hausgärten eine Lebensmittel-kooperative zu gründen. Es liegt noch viel vor uns, um dieses Ziel zu erreichen. Die Erfahrungen, die ich als Freiwillige Mitarbeiterin für ein Jahr bei „Heal the Soil“ mache, werde ich auf diesem Blog teilen. Schaut euch um, lest euch ein, kommentiert, stellt Fragen und tragt dazu bei, hier ein Forum für einen lebendigen Austausch zu schaffen!
Ich wünsch' euch eine spannende Zeit beim Lesen dieses Blogs und freue mich auf eure Beiträge!

Sara,
Langzeit-Voluntärin bei „Heal the Soil“

Kleines Vorwort zur großen Permakultur-Frage

Was tun eigentlich Permakultur-Designer? Nun, in erster Linie versuchen wir, organische Abläufe und stabile Systeme zu gestalten, indem wir den Lauf der Dinge in der Natur imitieren. Nach dem Grundsatz „Go with the flow“ schaffen wir in unserer Umgebung Schritt für Schritt einen produktiven Lebensraum, beobachten die natürlichen Ablaufe um uns herum und greifen gestalterisch ein. Unser Ziel ist es, Systeme zu kreieren, die unsere täglichen Bedürfnisse decken und sich selbst regulieren können. Deswegen sind unsere zentralen Themen Landwirtschaft, Wassermanagement, medizinische Versorgung und Architektur. Teil dieser Systeme sind aber auch unsere sozialen Verbindungen. Wir versuchen in Grunde genommen, die Gemeinschaft von Menschen, Tieren und Pflanzen an einem bestimmten Ort so aufzubauen, dass alle Elemente des Systems im gegenseitigen Nutzen verknüpft sind. Dabei wollen wir möglichst viel Verbindungen kreuz und quer durch das ganze System herstellen, sodass es stabil, produktiv und lebendig wird. Ein Permakultur-Design baut also auf den Prinzipien von Kreislaufwirtschaft, Selbstorganisation und Kooperation.
→ mehr dazu siehe „Info-Plus“*)


Starting to Heal the Soil: Ankunft in Kottakarai

Als das Taxi in Schritttempo über die Straßen von Kottakarai rollt, bin ich seit mehr als 24 Stunden wach. Zwischen dem Erstaunen über jeden neuen Eindruck in diesem Land, das ich als vollkommener Neuling betrete, überkommt mich immer wieder ein Sekundenschlaf, aus dem ich durch ein Aufprallen meines Kopfes an der Autotür aufwache. Meine ersten Stunden in Indien sind also im wahrsten Sinne des Wortes "traumhaft".
Die Straßen hier haben keine Namen, und die Häuser keine Nummern. Die Adresse auf meinem Schmierzettel ist also an und für sich eine Wegbeschreibung. Ganz leicht haben wir es trotzdem nicht, vor allem, weil die Sonne langsam untergeht und die Leute sich in ihre Häuser zurückziehen. An jeder Ecke halten wir und fragen nach "Sapney Farm", dem Ziel meiner Reise, oder nach "Heal the Soil CSA" . Währenddessen telefoniert der Fahrer mit Snehal, meiner Kontaktperson hier, und lässt sich mehrere Male den Weg erklären. Erst als wir direkt vor der Farm stehen, erklärt uns der Nachbar, dass wir den Ort, nach den wir suchen, bereits gefunden haben. In diesem Moment weiß ich nicht genau, wer darüber mehr erleichtert ist, mein Fahrer oder ich. Er stoppt den Motor. Etwas desorientiert wackeln ich und mein Rucksack durch das grüne Eingangstor, und ich setzte mich erleichtert zum ersten mal auf den Boden von Sapney Farm, meinem neuen „Zuhause“ für dieses Jahr. Im Dunkeln - es ist schon nach sieben Uhr abends - krame ich in meinem Reisegepäck nach den Rupie-Bündeln und einer Packung Manner Wafferl, bedanke mich bei meinem Fahrer und versuche, mich etwas zu orientieren.
Das erste, was Reisende in Indien angeblich verstehen lernen, ist: Es gibt kein „typisches Indien“ - und es gibt kein „typisches Indisches Dorf“. Zu groß ist das Land, zu vielfältig die Landschaften, Lebensweisen und Weltbilder, die einem hier begegnen. Das zweite, das gleich danach kommt, ist: Das Selbstbild des „kulturell offenen Westlers“ bringt dich beim Verständnis deiner Umwelt nicht weiter. Deine gesellschaftliche Prägung und deine Perspektive auf die Welt gehören zu einem Mosaik an Sichtweisen, die in dieser Welt existieren, und die alle in gewisser Weise richtig, in gewisser Weise falsch sind. - Das sind die Basis-Weisheiten, die mir die „Traveller“, von denen es in dieser Region nur so wimmelt, sehr glaubhaft vermittel. Ich versuche daher als Zwischenlösung, mir bei dem, was ich tue, sowie bei dem, was ich hier schreibe, meines persönlichen und gesellschaftlichen Backgrounds bewusst zu bleiben. Das wird streckenweise gelingen, streckenweise scheitern, nehme ich an. Für die Leser*innen dieses Blogs bedeutet das: Die Beschreibungen und Erfahrungen hier, ob nun persönlich oder sachlich formliert, sind unvermeidlich subjektiv und tragen eine gewisse Perspektive in sich, die zur Diskussion offen steht. Jeder Kommentar ist also herzlich willkommen.


Erst mal Orientierung gewinnen...


Sapney Farm ist mehr ein großer Garten als eine Farm, übervoll mit Papaya- und Bananenbäumen, dazwischen ein paar Gemüsepflanzen und Kräuter, oft aber auch trockene Fleckchen, die auf engagierte Volunteers warten. Auf dem Gelände verstreut stehen kleine gemauerte Häuschen, die die Langzeit-Volunteers bewohnen. Bambushütten mit Schlafplätzen im Dachgeschoß bieten Platz für Gäste, und werden im Erdgeschoß als Gemeinschafts-Raum bzw. -Küche genutzt. Einige der Gebäude hier sollen bald zu eigenständigen Einheiten werden, Modelle für die Häuser im Dorf, mit eigenem Wasserkreislauf und Anbauflächen für Obst und Gemüse, alle gemeinsam eingebettet in ein Permakultur-System, das die ganze Farm umfasst. Die Idee ist ambitioniert, ob die Modelle hier im Dorf Gefallen finden werden, steht noch offen. Weniger als einen Hektar umfasst die Fläche von Sapney Farm, auf der je nach Jahreszeit zwischen 5 und 20 Menschen leben, und noch gibt sie nicht genug her, um alle zu ernähren. - Work in Progress...
Die meisten Menschen, die ich an diesem Abend treffe, sind Reisende aus Europa, die hier einige Monate als Volunteers verbracht haben, und beim Aufbau des Gartens und der Gebäude helfen. Einige haben ihre Permakultur-Ausbildung auf der Sapney Farm begonnen, andere begleitet diese Thema schon längere Zeit, und sie suchen hier nach neuen Methoden, Ideen und Erfahrungen. Zu den letzteren gehöre ich. Ich werde die meiste Zeit des Jahres an diesem Ort verbringen, und hier in einer Gemeinschaft ständig wechselnder Menschen leben. Zusammen mit dem Inhaber Snehal, dem Gärtner Elumalai und den „Ammas“, unseren „Mamis“, werden wir Volunteers hier Beete anlegen, am Abwassersystem basteln,und versuchen, Kooperationen mit unseren Nachbarn aufzubauen - also von und mit den Pflanzen, Menschen und Tieren hier lernen und leben.
Kottakarai ist eines der Dörfer, die die "internationale Stadt" Auroville umgeben, und die ohne dieses Großprojekt der Nachhaltigkeit, Gütergemeinschaft und spirituellen Selbstentfaltung nicht in der Form existieren würden. Mit der Zuwanderung ins Umland dieses finanzstarken Projektes, das zahlreichen „Non-Aurovillians“ als Arbeitsplatz dient, entstand eine Mischung aus Plastikbergen und Ökofarmen, veganen Restaurants und Motorradverleihen, die Stück für Stück in das ehemalige Brachland wachsen. Vor noch 50 Jahren war hier nichts als Wüste. Heute findet mein Taxifahrer, der selbst seit sieben Jahren hier lebt, zwischen den Häusern und Wäldern kaum mehr den Weg zu dem Ort, den wir suchen.
Die erste Nacht auf Sapney Farm verbringe ich mit einem Ankunftsgefühl, in dem sich jede erdenkliche Stimmungslage sowie Sprache mischt, versorgt mit handgemachter Pasta - ein italienischer Volunteer feiert Geburtstag - und 30 Grad warmem indischen Bier. - Für Sapney Farm, die viele junge Reisende und Freiwillige beherbergt, eine bezeichnende Mischung, wie mir scheint.


Das Dorf und wir – Ein Versuch namens „Community Kitchen Gardens“ 

Neben dem Aufbau der Sapney Farm werden wir Volunteers von „Heal the Soil“ viel Zeit mit dem "Community Kitchen Garden Project" verbringen, in dem mehrere Familien aus dem Dorf gemeinsam mit dem Team von Heal the Soil Gärten für den Eigenbedarf aufbauen. Als Kooperative sollen sie schließlich mit den Überschüssen das Restaurant "Kofi Bar", das wie die Sapney Farm dem Koordinator Snehal gehört, beliefern. Wie wir Volunteers unsere Rolle darin finden wird sich zeigen. Vom Nachbargrundstück trennt uns auf der Sapney Farm nur ein dünner Maschendrahtzaun. Trotzdem ist die Welt auf der Sapney Farm nicht ganz dieselbe wie in Rest-Kottakarai. Das hat viele Gründe. Ganz verstehen werde ich das wohl erst in den nächsten Monaten.



*) Info-Plus: Was ist Permakultur?

Permakultur bedeutet Permanent Agriculture und meint eine Landwirtschaft, die auf ökologischen Kreisläufen und einer Orientierung an Abläufen und Mustern der Natur basiert. Entwicklelt und ausformuliert wurde der Permakultur-Ansatz von den Australiern Bill Mollison und David Holmgren in den 1970er Jahren: "Permakultur (dauerhafte Landwirtschaft) ist die bewusste Gestaltung und Erhaltung landwirtschaftlich produktiver Ökosysteme, die die Mannigfaltigkeit, Stabilität und Widerstandsfähigkeit natürlicher Ökosysteme aufweisen. Permakultur ist die harmonische Verflechtung von Landschaft und Menschen, die Nahrung, Energie, Behausung und andere Materielle und immaterielle Bedürfnisse für die Menschen bereit stellt." (aus Bill Mollison: Handbuch der Permakulturgestaltung, 1988, Tagari Publications)

Im Zentrum der Permakultur steht eine Ethik, die den Menschen als gleichbereichtigte*n Teilnehmer*in in einem vielfältigen Ökosystem sieht. Diese Ethik ist in drei einfachen Punkten formuliert:
1.) Sorge um die Erde.
2.) Sorge um die Menschen.
3.) Teile gerecht und schränke dich ein.
Ziel dieser Ethik ist das kulturelle Festigen einer Umgangsweise mit der Umwelt, die im Bewusstsein ihrer Komplexität ökologische und soziale Krisen vermeiden und ihnen entgegenwirken möchte. Damit geht Permakultur über die landwirtschaftliche Praxis hinaus, und kann auf alle Lebensbereiche angewandt werden.
Für die Landwirtschaft, die als Versorgerin und wichtiges Aktionsfeld des Menschen dennoch im Zentrum der Permakultur steht, heißt das: ein bewusster Aufbau von Bodenfruchtbarkeit und eine Erhaltung der biologischen Vielfalt, bewusstes Erkennen der vorhandenen Ressourcen und ihr schonender und vielfältiger Einsatz. Es geht darum, mit Kreativität und Voraussicht gestalterisch in ein Ökosystem einzugreifen, um sich versorgen zu können, aber ohne dabei die Funktionen des Ökosystems zu beschneiden oder zu zerstören, sondern im Gegenteil die natürlich darin vorkommenden Prozesse und Kräfte geschickt als Mitarbeiter*innen für die eigene Versorgung einzusetzen.
Die Permakultur bedient sich vieler unterschiedlicher Methoden und traditioneller Techniken aus der Landwirtschaft und vereint diese, entwicklet aber auch Neues. Die Methoden sind von Ort zu Ort, und von Klimazone zu Klimazone unterschiedlich. Die Prinzipien jedoch, nach denen gestaltet wird, sind so formuliert, dass sie in jedem Fall anwendbar sind.
In der Formulierung von David Holmgren (die etwas von der von Bill Mollison abweicht) sind das:

1.) Beobachte und Handle. Wichtig ist das Eingehen auf lokale Gegebenheiten, auf den Ort und seine geographische Beschaffenheit, auf die Wind- und Wettereinflüsse, die Menschen, Tiere und Pflanzen, die ihn prägen und in der Vergangeheit geprägt haben. Lass dir Zeit beim Beobachten, lernen den Ort unter verschiedensten Wetterbedingungen und zu unterschiedlichen Jahreszeiten kennen. (z.B. Wo fließt bei Starkregen das Wasser ab? Wo schmilzt Schnee am frühsten?) Erst dann beginnt die Planungsphase. Beobachten und Handeln finden dann in der Umsetztung immer gleichzeitig statt, sodass die eigenene Interventionen und gestalterischen Maßnahmen verstanden werden können, und die Konsequenzen des eigenen Handelns nachvollziehbar werden
.
2.) Fange Energie ein und Bewahre sie. Wind, Wasser, und Sonne strömen auf ein Grundstück ein. Sie werden so geleitet, dass ihre Effekte so oft es geht genutzt werden und nach Möglichkeit auch mehrmals gespeichert werden können. erst wenn alle Bedürfnisse im System (nach Wärme, Wasser, Energie, bestäubendem Wind, Elektrizität etc.) gestillt sind, sollte die Energie das System verlassen können. Hierzu wird eine bewusste "Sektorenplanung" angewendet.

3.) Fahre eine Ernte ein. Es soll nicht beim Experimentieren bleiben. Experimente sind wichtig, um den Ort, das Klima, die Pflanze und ihr Verhalten zu anderen Teilen des Ökosystems besser kennen zu lernen. Trotzdem sollte die Versorgung immer ein Ziel sein, das zumindest teilweise erfüllt wird. Der Aufbau von Bodenfruchtbarkeit und die Stabilisierung des permakulturellen Systems sind nicht alleiniges Ziel, sondern immer in gleichem Maße wichtig wie die eigene Versorgung mit Lebensmitteln. Ziel ist es immerhin, sich als Mensch mit all den Bedürfnissen an Nahrung, Unterkunft, Trinkwasser usw. als Teil eines funktionierenden Ökosystems zu integrieren.

4.) Lass die Natur die Regulieren und akzeptiere ihr Feedback. Die Natur gibt in der permakulturellen Gestaltung das Rahmenwerk vor. Wird mit den natürlischen Tendenzen gearbeitet (Vertrocknung, Vergrasung, Verwaldung) und werden sie bewusst genutzt, habe ich bedeutend weniger Pflegeaufwand. Erweist sich ein Ort als sehr pflegeaufwändige, ist es ratsam ihn seinen natürlichen Tendenzen entsprechend umzugestalten (an trockenen Plätzen kann ich etwa ein Schotterbeet anlegen, wo viele seltene Blumen und Arzneipflanzen gedeihen, die ich ohne viel Aufwand nutzen kann. Ein Gemüsebeet hier anzulegen erfordert hingegen ständiges Gießen)

5.) Nutze und schätze erneuerbare Ressourcen. In der Permakultur gilt es, erst das Potenzial dessen auszuschöpfen, was vor Ort zu Genüge vorhanden ist, während der Verbrauch an seltenen oder weit entfernt vorkommenden Ressourcen möglichst vermieden wird. Das bezieht Baumaterialien, Energieträger und Nahrungs- und Arzneipflanzen sowie tierische Produkte mit ein. Vor allem wird auf Kräfte und Ressourcen gesetzt, die immer verfügbar sind, wie Wind oder Sonne, oder auf Ressourcen, die im Kreislauf des Permakultursystem laufend prduziert werden, etwa Biomasse (Stichwort Biomeiler). Wind- und Sonnenenergie, nachwachsende oder im Boden vorhandene Baumaterialien werden genutz.

6.) Produziere keinen Abfall. In einem natürlichen Ökosystem gibt es keine Abfälle, es wird alles einer Verwertung zugeführt, und Nährstoffe werden im Kreislauf gehalten. Die Permakultur orientiert sich an diesem Modell und versucht, allen Dingen einen Nutzen zu geben. Hier spielt kreatives Recycling eine wichtige Rolle. Auch gilt es, Ressourcen wie Wasser, wenn gebraucht, der Natur wieder so zurückzugeben, dass sie sie verwerten kann.

7.) Plane vom Muster zum Detail. "Form follows Function". In der Natur haben sich Muster herausgebildet, die sich in unterschiedlichen Bereichen wiederholen, und die wir nach einiger Beobachtung einer gewissen Funktion zuordnen können. Wir finden diese Muster auch technisch angewandt wieder, etwa überlappende Schindeln auf Dächern, die sich mit den Schuppen von Fischen vergleichen lassen. So wird in der Permakultur etwa in Form der Kräuterspirale nachgebaut, was ein Schneckanhaus funktionell leistet: Es bietet viel Raum auf wenig Platz, und durch seine eingewickelte Form geht kann Wärme besser gespeichert werden. Auch soziale Muster und Muster im Verhalten lassen sich gewissen Funktionen zuordnen, die wir reproduzieren oder bewusst nicht reproduzieren können, um zu gewissen einem Ergebnis zu gelangen. Diese Muster sind formgebend für unsere Planung, sie werden im ersten Schritt mit den örtlichen Gegebenheiten und den Bedürfnissen und Zielen zusammengeführt und grob geplant. Erst dann folgen die Details und die Anordnung der Elemente, und es kommt zur Umsetzung.

8.) Integrieren statt Zerteilen. Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen (also eine Pflanze, eine Mauer, ein Tümpel, eine Außenkochstelle) des Systems werden so gestaltet, dass sie einander positiv beeinflussen. Permakultur ist Beziehungsarbeit. Symbiosen zwischen Pflanzen werden bewusst genutzt und es wird so geplant, dass ein Element möglichst viele seiner positiven Effekte entfaltet. So kann ein Stein- und Schotterhaufen Unterschlupf für Kleinlebewesen, Wärmespeicher und Lebensraum für besondere Pflanzenarten bieten, deshalb wird er dort platziert,wo auch all diese Effekte gebraucht werden können. Ein Dach kann als Unterstand dienen und als Gründach zusätzlichen Pflanzbereich bieten. Wichtig ist nicht die große Anzahl der Elemente, sondern die große Anzahl der positiven Beziehungen, in denen es steht, damit sein Mehrfachnutzen wirksam wird.

9.) Nutze kleine, langsame Lösungen. Wenn ich mit einem komplexen System wie z.B. einem naturnahen Gemüsegarten arbeite, werden am besten immer kleine Schritte gesetzt, und zwar einer nach dem anderen. Nur so habe ich die Möglichkeit, die Konsequenzen meines Handelns zu überblicken und aus ihnen zu lernen, bzw. regulierende Maßnahmen einzuleiten. Auch die Größe meines Projektes lege ich idealerweise so klein an, dass nicht all meine Zeit und Kraft für die Pflege aufgewendet werden muss, sondern mir im Alltag recihlich Zeit und Kraft übrig bleibt, um im Notfall (z.B. Überschwemmung) einen Spielraum für Regulierungen zu haben. Kleine, langsame Lösungen zu verwenden bedeutet auch, dass ich nicht alle mir zur Verfügung stehenden Ressourcen (Fläche, Baumaterial, eingen Energie etc.) gleichzeitig einbringe, sondern schrittweise nacheinander. Für ein Problem suche ich immer die einfachsten, naheliegendste Lösungen, die mit wenig Aufwand zu pflegen und leicht zu reparieren sind.

10.) Nutze und schätze die Vielfalt. Vielfalt bringt Stabilität und ermöglicht dem Ökosystem, sich in Situatonen eines Schocks oder Ausfalls schnell selbst zu regulieren. Eine Vielfalt an Lebensräumen (Wald, Fließende und stehende Gewässer, Hecken, Felder, Wiesen, Schotter etc.), an Mikroklimata (Bachufer, Heckenschatten, Windstille Bereiche, wärmeabstrahlende Mauern etc), an Arten, Lebewesen und an Kultursorten sind ausschlaggebend für ein Permakultur-System, das zu unterschiedlichen Jahreszeiten, Wetterlagen und im Falle von Extremstuationen die eigene Versorgung sicherstellen kann. Viele Elemente sollen da sein, um eine spezielle Funktion zu erfüllen (z.B. Wasserversorgung über Grundwasser, Regenwasser, bewusste Pflanzungen um viel Wasser zu speichern und an der Blattoberfläche verdunsten zu lassen, Himmels- und Grundwasserteiche, und in Mäandern geleitete Bäche am Grundstück etc.), und ein Element sollte so gesetzt sein dass es möglichst viele Funktionen erfüllen kann (Bsp Steinhaufen von oben). Auch sollte nicht alles von einer Art an einem einzigen Platz stehen, sonder an mehreren Orten verteilt sein, damit Krankheiten oder einfallende Insekten nicht gleich den gesamten Bestand, sondern nur einen Teil beschädigen.

11.) Nutze Randzonen. Randzonen sind die Übergänge von einem Bereich zum anderen, wir finden sie zum Beispiel dort, wo Schotterflächen enden und fruchtbare Erde beginnt, an Flussufern oder an Waldrändern. Sie sind hoch potente Schauplätze des Ökosystems, denn hier treffen Eigenschaften und Arten unterschiedlicher Bereiche aufeinander, wirken zusammen und vermischen sich. Die möglichen Kombinationen von warm, feucht, kühl, trocken, wasseraufnehmend und wasserableitend, reflektierend oder speichernd sind mannigfaltig. Möglichst viele Übergangszonen in möglichst vielen Kombinationen zu schaffen erhöht die Vielfalt im System und macht es produktiver. Lege ich beispielsweise einen Teich an, kann ich durch ein Wellenlinienförmiges Gestalten des Ufers (als würde ich das Ufer etwas einfalten) im Verhältnis zur Wasseroberfläche an Uferlänge gewinnen, und kann an einem Teil steinige, an einem anderen Teil sandige und wieder an einem anderen Teil schilfbewachsene Uferzonen schaffen.

12.) Sei kreativ und Antworte auf Veränderungen. Permakultur bedeutet, immer wachsam und aktiv in einer Beziehung zum System, z.B. meinem Garten oder meinem Feld, zu stehen. Ergibt sich eine Veränderung, beobachte ich sie genau und reagiere aktiv. Entweder, um glückliche Zufälle zu nutzen (z.B. zufällige Kreuzungen, die ich versuche zu erhalten und zu vermehren), um positive Entwicklungen zu nutzen und zu fördern (z.B. das Auftauchen einer seltenen Art zu fördern, indem ich ihr Lebensraum schaffe und unterstützende Nachbarschaft an Tier- und Pflanzenarten dazupflanze oder hinleite), und um ungewollte Entwicklungen zu bremsen (etwa die übermäßige Ausbreitung einer Topinamburpflanzung durch eine Teich-Begrenzung)